Anicca

This will also change

Januar – 2020

Es ist heiß. Es ist stickig.

Umringt von 99 Personen sitze ich eng auf eng in einer großen Halle mit braunem Holzboden. Meine Augen sind geschlossen, die Beine zu einem halben Lotussitz verschränkt. Längst schmerzen die Knie vom langen Sitzen. Wie viele Stunden waren es heute schon? Sieben, acht…? Ich habe aufgehört, zu zählen. Ist auch egal. Am Abend von Tag 1 war der Sitzschmerz in den Knien noch zu ertragen. An Tag 2 war er unangenehm. Ab Tag 3 schmerzhaft, unerträglich schmerzhaft. Es ist ein konstantes Pochen, dass sich von seinem Epizentrum links der Kniescheibe wellenförmig hinauf bis in die Oberschenkel und nach unten bis in die eingeschlafenen Füße ausbreitet. Ich habe diesen Schmerz lange genug und aufs Genaueste studiert um zu wissen, dass er heute nicht mehr weggeht. Auch wenn ich mir das noch so sehr wünsche. Der Schmerz bleibt. Vorerst.

Über mir höre ich den Ventilator. Wuscchh… wuscchh. Er wirbelt mit ächzenden Drehungen die tropische Luft im Raum herum. Dann und wann streift wie jetzt ein sanfter Windhauch mein Gesicht, auf dem sich kleine Schweißperlen gebildet haben. Der erneute Luftzug lockert eine Strähne aus meinem zusammengebundenen Haar, die mir alsdann ins Gesicht fällt, rechte Augenbraue und Wimpern berührt und sich nach einem letzten Bäumen auf meiner Wange niederlegt. Der nächste Windhauch lässt die Strähne über die Partie zwischen Nase und Oberlippe langsam von rechts nach links wandern. Und dann wieder von links nach rechts. Ich beobachte in scheinbar größter Ruhe das Geschehen. Innerlich aber brodelt und schäumt es in mir. Der Juckreiz, den die Bewegung der Haarsträhne auslöst, wird immer stärker. Ich kann es nicht fassen!! Sind denn der Schmerz in den Knien und die eingeschlafenen Füße nicht schon genug? Muss mir das Universum jetzt auch noch den winkenden Zaunpfahl in Form einer Strähne schicken, die mir zu sagen scheint: Enstpann dich endlich!

Mit letzter Willenskraft sitze ich da, Beine verschränkt , Augen verschlossen, und versuche trotz allem, meine Hände ruhig und gefaltet im Schoß zu behalten – anstatt aufzuspringen und schreiend hinauszurennen.

Ich bleibe, auch wenn alles in mir mich vom Gegenteil überzeugen will. Ich harre aus.

So mancher wird jetzt fragen: Warum tue ich mir das an?

Rückblick

Letzten Sommer als ich gegen die Glastür gelaufen war, wusste ich, dass etwas geschehen musste. Ich wollte nicht weiter blind durch mein Leben rennen – hektisch, ruhelos, getrieben. Ich wollte nicht, dass mein Leben sinnlos an mir vorbeizieht. Oder zumindest wollte ich eine Pause von alle dem. So beschloss ich, mich im Januar für einen zehntägigen Meditationskurs anzumelden. Zehn Tage in Stille, ohne Internet, ohne Telefon, ohne Buch, ohne Stift. Kein Kontakt zu anderen Kursteilnehmern, kein Kontakt zur Außenwelt. Zehn Tage nur ich… und mein Knie-Schmerz (von dem ich damals natürlich noch nichts ahnte). Ich musste den Stopp-Knopf in meinem Vor-mich-dahin-leben drücken. Es war an der Zeit. Ich entschied mich, den Meditationskurs in einem Vipassana-Zentrum im Norden Thailands zu machen. Am 22. Januar kam ich dort ein bisschen nervös, aber relativ optimistisch an. Gleich am Eingang wurde ich herzlich mit einem Zettel Papier begrüßt. Der Vertrag. Ich begann langsam die kleinen Buchstaben zu lesen. Name, Alter, Vorerkrankungen… Und ganz unten auf dem Blatt der entscheidende Satz: Hiermit willige ich ein, die volle Zeit des Kurses von zehn Tagen im Zentrum zu bleiben. Ohne zu zögern setzte ich meinen Namen darunter.

Und das ist der Grund, warum ich jetzt immer noch hier in der stickigen Hitze sitze und mich nicht bewege. Ich habe unterschrieben. Ich habe mein Wort gegeben. Mein Commitment. Und deshalb trotze ich dem Schmerz, dem Juckreiz und all meinem sonstigen innereren Widerstand.

Es ist schwer. Um ehrlich zu sein, habe ich noch nie etwas ähnlich Schweres in meinem Leben durchgemacht. Es gibt keinen Tag, an dem ich nicht am liebsten das Handtuch werfen und gehen würde. Es ist ungemütlich. Es ist schmerzhaft. Es ist vieles, was ich in meinem normalen Alltag insgeheim vermeide. Stille, absolute Ruhe. Kein Tagträumen, keine Pläne, keine Ablenkung. Nur das Hier und Jetzt. Keine Flucht, kein Ausweg – ich habe die Situation mit allem drum und dran zu akzeptieren. Manchmal gelingt mir das auch und in diesen Momenten ist es auf einmal ganz leicht. Meistens aber habe ich einfach keinen Bock und mache mir damit das Leben selbst schwer.

Das einzige, was mir in den besonders dunklen Stunden ein bisschen Erleichterung verschafft, ist das Leitmantra von Vipassana: „Anicca. This will also change.“

Februar – 2020

Es ist soweit. Heute, am 2. Februar 2020, nach zehn Tagen in Stille und Isolierung habe ich meinen Meditationskurs abgeschlossen. „You’ve reached your liberation“, wie sie im Zentrum am letzten Tag zu sagen pflegen. Na dann: Befreiung, ich komme!

Meine Gefühle und Erlebnisse während der Meditationstage sind nicht in Worte zu fassen. Am Ende fühle ich mich einerseits erleichtert, andererseits ist ein kleiner Teil – zu meinem Erstaunen, auch traurig. Der Kurs hat mir zurückblickend sehr viel gegeben und war die Mühe und tägliche Anstrengung wert. Ich habe viel über mich und meinen inneren Wiederstand gelernt und gemerkt, dass es irgendwann leichter wird. Ob ich den Kurs noch einmal machen würde, fragt mich eine Teilnehmerin aus Norwegen. Ich bejahe. Und füge hinzu: „Ich finde, die ganze Menschheit sollte mindestens einmal imLeben an einem Vipassana-Kurs teilnehmen. Damit wir alle die Chance haben, uns in der Stille selbst kennenzulernen.“

Mit diesen Worten blicke ich ein letztes Mal auf die Hütte, in der ich die letzten eineinhalb Wochen spartanisch gelebt habe. Schon hupt der Bus zur Abfahrt, am gleichen Abend geht mein Flug von Bangkok nach München. Zwei Wochen Urlaub in Deutschland stehen auf meinem Reiseprogramm, bevor das Sommersemester in China beginnen soll. So der Plan. Wie sehr ich zu dieser Zeit noch an ihm festhalte.

Als ich am Flughafen angekommen in den Wifi-Bereich eintrete, trifft mich eine überdimensionale Welle an Nachrichten. In Sekundenschnelle werde ich aus meinem noch weitestgehend ruhigen und meditativen Gemütszustand hinein in die grausame Realität katapultiert. Die Zeilen schlagen: Coronavirus in China. Quarantäne. Reisewarnung für alle Ausländer. Infizierte. Tote. Ausnahmezustand.

Ich schlucke und lege nach ein paar Minuten mein Handy wieder aus der leicht zitternden Hand. Ich denke an meine Studenten, Kollegen und Freunde in China. Ich denke an die bereits am Virus verstorbenen Menschen in Wuhan. Die schöne Stadt, die ich noch drei Monaten zuvor besucht hatte. Die Neuigkeiten gehen mir unter die Haut, ich spüre, wie mein Herz schneller schlägt und in meiner Brust schmerzt. Doch dafür ist kaum Zeit. Voll Ungewissheit und mit Mundschutz, den mir eine junge Frau am Check-In gibt, weil ihn hier alle tragen, steige ich in meinen Flieger Richtung München. Die Hoffnung, dass es am Ende doch nicht so schlimm kommt, fliegt mit. Die Ausmaße von Bergamo liegen zu diesem Zeitpunkt noch in der undenkbaren Zukunft.

Am Flughafen in Bangkok

März 2020

Ich öffne die Augen. Um mich herum ist es halbdunkel. Erste Lichtstrahlen kämpfen sich ihren Weg durch die Ritzen des heruntergelassenen Rollos. Ich lausche. Leises Vogelgezwitscher. Ich stehe auf, ziehe die Rollläden hoch und blicke aus dem Fenster. Es hat geschneit. Ende März. Vorgestern saß ich noch im Shirt am Seeufer. Heute hole ich die Winterstiefel wieder raus.

Und das ist nicht das Einzige, was mir meine geplanten Pläne durchkreuzt.

Genau vor einem Monat wäre mein Flug zurück nach China gegangen. Eigentlich würde ich jetzt mit meinen chinesischen Studenten im Klassenzimmer sitzen und Deutsch unterrichten. Mittags würde ich zurück in meine Wohnung gehen, Essen kochen und auf dem Balkon sitzen. Abends dann einen Spaziergang am Strand, kurz für einen ungesunden aber sehr leckeren Milchtee halten und vielleicht an meinen Chinesisch-Kenntnissen arbeiten.

Stattdessen sitze ich am Esstisch meines Vaters in Deutschland und lese die neuesten Nachrichten. Über 23.000 bestätigte Infizierte gibt es nun in Deutschland, fast 100 Tote. In Nachbarländern schaut es noch schlimmer aus. In Italien am schlimmsten. Weitere Flüge wurden gestrichen. Weitere Maßnahmen ergriffen. Meine Rückreise nach China: weiter ungewiss. Seit fast zwei Monaten beobachte ich die Situation, zuerst in China, jetzt unmittelbar vor der deutschen Haustür. Aus vierzehn Tagen Deutschlandurlaub werden Wochen des Wartens. Wochen des Ausharrens. Wochen des Pläneschmiedens und -verwerfens.

Es ist Tag 3 der bayrischen Ausgangssperre. Seit drei Tagen werden die Bürger in Bayern gebeten, alle unnötigen Gänge nach draußen zu unterlassen, Einkäufe zu minimieren, Treffen abzusagen, soziale Kontakte zu meiden. Mir scheint, als liefe ein Film in meinem Kopf auf Wiederholungsschleife. Noch vor zwei Monaten las ich identische Nachrichten über Quarantäne und Virusverbreitung in China und fieberte mit meiner Wahlheimat mit. Studenten schrieben mir, dass sie nicht rausgehen könnten. Kollegen sagten, sie hätten Angst. Freunde berichteten mir von Hoffnung in sehr schwierigen Zeiten. Und dabei stiegen die Fallzahlen unentwegt. Nun erlebe ich das alles gefühlt zum zweiten Mal. Mit dem Unterschied, dass es mich jetzt noch unmittelbarer betrifft.

Ich sitze in meinem Zimmer und schaue an die gelbgestrichene Wand. Was ist nur mit der Welt passiert? Wir dürfen unsere Häuser nicht verlassen, das soziale Leben soll pausieren und wir haben zu warten. Auszuharren. Ich wippe mit dem Fuß, spüre aufkommende Unruhe. Wie gerne wäre ich jetzt „zurück“ in meinem „alten“ Leben in Qingdao. Ginge meiner gewohnten Routine nach, würde Freunde treffen, neue Wanderwege im Laoshan-Gebirge erkunden, am Strand Beachvolleyball spielen. Wie ich meinen normalen Alltag vermisse. Wie ich an ihm hänge.

Immer mehr verstehe ich, wie sich meine Freunde die letzten Wochen in chinesischer Quarantäne gefühlt haben müssen. In mehr oder weniger kleinen Wohnungen isoliert, Tag ein Tag aus auf die Befreiung wartend, die auf sich warten ließ. Keine Arbeit, keine Treffen mit Freunden, keine Spaziergänge an der frischen Luft. Stattdessen Ungewissheit, schreckliche Nachrichten aus Wuhan und die Angst, selbst zu erkranken. Ähnliches steht nun dem Rest der Welt bevor.

Aus mehreren Ländern Lateinamerikas berichten heute Bekannte, dass auch dort Schulen und Läden geschlossen werden und die Straßen leer bleiben. Die Welt steht still. So etwas habe ich noch nie erlebt.

Und gleichzeitig kommt mir das Ganze irgendwie bekannt vor. Ich kenne diese Ungewissheit des Wartens. Die damit verbundene Unruhe. Den starken inneren Wunsch, alles hinzuwerfen und aus der der Situation ausbrechen zu wollen. Schon spüre ich den Juckreiz in meinen Beinen, die am liebsten zu Fuß nach China laufen würden.

Ich sehe mich wieder auf dem Holzboden im Meditationskurs sitzen. Ich spüre den totalen Widerstand in mir. Wie ich mich gegen die ganze jetzige Corona-Situation auflehne. Sch*** Virus. Sch*** Ausgangssperre. Sch*** Plandurchkreuzer! Im nächsten Augenblick, sehe ich, wie nicht nur 99 andere, sondern die gesamte Menschheit dort mit mir sitzt. Auf dem Fußboden neben mir und gleichzeitig auch in ihren Häusern, in ihren Wohnungen, in ihren Zimmern. In Asien, in Europa, in Lateinamerika, in Afrika. Wir alle sitzen im gleichen Boot. Wir sind sauer, traurig, besorgt, hochmütig, stolz. Einige von uns stehen auf und stampfen wild im Kreis, andere rennen panisch zu ihrem Nachbarn oder schauen sich nach einem Fluchtweg um. Nach einer Zeit sitzen wir wieder alle. Und während wir sitzen, jeder auf seinem Platz, versuchen wir, die Situation zu meistern. Ob wir wollen oder nicht, wir müssen bleiben. Auch wenn uns niemand gefragt hat, ob wir Lust auf Ausgangssperre oder Home Office haben. Ob wir es uns leisten können, unsere Geschäfte für Wochen zu schließen. Wir fügen uns der Situation, obwohl wir nirgends unser Einverständnis gegeben oder mit unserem Namen einen Vipassana-Vertrag unterschrieben haben. Denn Abwarten ist das Einzige, was wir jetzt tun können. Aufspringen und schreiend Hinausrennen ist keine Option. Wohin auch? Wir müssen einfach dort bleiben, wo wir sind und weiter versuchen, zu akzeptieren. Wie in einer sehr langen Meditation. Auch wenn wir vielleicht keinen darauf Bock haben – irgendwann wird es leichter.

Anicca. This will also change.

Warten am See

7 Gedanken zu “Anicca

  1. Ja, alle im selben Boot und wie wir damit (uns und die anderen) umgehen ist das Entscheidende und nicht ob das Boot untergeht. Eine kleine Begebenheit aus meinem Leben/Buero, die mir sehr zugesetzt hat und mir meine Angst zeigte. Als der Virus mehr Realitaet wurde in USA hatte ich in erster Linie ein Gefuehl der Neugier und fuehlte ueberhaupt keine Angst. Die Neugierde hatte was damit zu tun wie ich damit umgehe, auch wenn ich krank werde.

    Dann kam eine Klientin in mein Buero, die grosse Muehe hat ihr Leben geregelt zu kriegen, blinder Mann, alte Mutter und Sohn im Gefaengnis. Die vergangenen Jahre habe ich sie immer herzlich umarmt. Dieses Jahr spuerte ich eine Bremse und blieb sitzen. Die Bremse sagte, dass ich ja nicht weiss ob ich den Virus vielleicht habe und ich den auf keinen Fall verbreiten moechte. Als wir mit unserem Gespraech fertig waren, kam sie auf mich zu – und sie brauchte dringend eine Umarmung (ihr Zustand war besonders schlimm), aber ich redete was vom Virus und das keiner weiss wer ihn hat und wer nicht.

    Dass ich die Umarmung verweigerte hing mir nach und brachte mich dann dahin zu erkennen, dass das auch die Angst ist (sie hatte die ja nicht, sondern ich). Ich habe mich entschieden der Angst nicht mehr zu folgen, konnte aber leider nicht sehen, dass ich genau das tat. Ich lerne immer mehr, dass die Liebe nie unangemessen ist und kann sehen, dass Angst und Liebe sich ausschliessen. Mehrfach am Tag ist wieder die Entscheidung zu treffen nicht der Angst zu glauben. Immer wieder sehe ich wie Menschen Dinge tun, die mit Sicherheit den Virus verbreiten wuerden wenn er dann da ist und die Konsequenz kann nicht sein sich im Keller einzuschliessen.

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    1. Liebe Gabriele,
      vielen Dank für deine Erfahrung. Ich beobachte mich in diesen Tagen auch, wie ich manchmal aus der Angst heraus handle. Und das andere Extrem Hochmut kenne ich. Als ich zum ersten Mal von Corona hörte, sagte ich zu dem Amerikaner, der mir in Thailand davon erzählte: Ach, China ist so groß, wenn nur 20 das Virus haben, müssen wir uns keine Sorgen machen. Zwei Wochen später stand das riesige Land unter Quarantäne…

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  2. Liebe Eva 马伊伊,

    lange nicht gechattet. Eigentlich habe ich gedacht, dass wir uns doch mal persönlich in QD kennenlernen konnten. Aber du warst in deinem Thai-Urlaub und ich wg. des Virus auch nur drei Tage in QD zu Hause geblieben…
    Das Virus hat das Leben in China und auch in QD stark verändert. Meine Eltern, z.B. sind fast 5-6 Wochen zu Hause gesessen, und haben mir verzweifelt geschrieben, via Wechat, und gefragt, ob ich ihnen noch Mundschutz irgendwie besorgen konnte. Ohne Mundschutz durfte man nicht raus, und somit auch keine Lebensmittel. Ich konnte schließlich nur zwei Tüte Reis online für sie bestellen…

    Aber das ist schon vorbei. Mindestens wurde und wird jetzt so berichtet. In den letzten Wochen spricht man in QD hauptsächlich über importierte Infektionen, zuerst aus Südkorea, da Zig-Tausende Studierende und Wanderarbeiter aus der Region (QD, Yantai, Weihai) in Südkorea leben. Diese Woche spricht man eher über Reisende aus Übersee, Europa und so weiter, am Wochenende eine(r) aus Deutschland wurde am Flughafen QD positiv festgestellt (Schnelltest oder nur Fiebermessen unklar).
    Daher würde ich dir schon vorschlagen, weiter in Dtld. zu bleiben und abzuwarten, bis alles endlich vorbei ist.

    Ja, natürlich vermisse ich auch QD, schließlich ist QD meine Heimat. Die meisten Ecken und Straßen in der Stadtmitte kenne ich und kennen mich auch.
    Ich glaube, die meisten Menschen in QD hatten/haben keine Angst, da sie wissen, dass es vorbei sein wird, auch wenn nur scheinbar. Angst habe ich lediglich nach der Corona-Zeit, wenn man sich nicht mehr zusammentun, nicht mehr gegenseitig hilft, nicht mehr Respekt gegenübereinander schenkt, sondern anfängt, sich zu streiten, dem anderen Schulde zu verweisen…

    Falls du endlich wieder in QD bist, bestelle meine lieben Grüße auch an meine Heimat.

    Gruß
    Yapeng

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    1. Hallo Yapeng! Vielen lieben Dank für deine Worte. Ich habe überhaupt nicht daran gedacht, was mit den Menschen passiert, die in China während der Ausgangssperre keine Masken hatten und deshalb nicht raus durften. Das muss schrecklich für deine Eltern gewesen sein – und für dich wahrscheinlich auch, weil du nicht viel für sie tun konntest. Ich bin froh, dass sich die Situation langsam entschärft.
      Danke auch für deinen Vorschlag. Ich werde weiter in Deutschland bleiben und abwarten, was passiert. Und vielleicht treffen wir uns nach alledem tatsächlich einmal in Qingdao!
      Liebe Grüße und alles Gute in diesen schwierigen Tagen 🌞

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  3. Ich denke an all die Menschen in der Welt, die in ihrer Freiheit beschränkt sind.

    Ich denke dabei an die Uiguren in China, an die Palästinenser, an die Kinder und Babies an der mexikanisch-amerikanischen Grenze, die von ihren Eltern getrennt in Zellen sind, an die vielen Flüchtlingen in Flüchtlingslagern an der europäischen Außengrenze… etc.

    Und nun sind auch wir, die Corona-Virus-Gefährderten, in unserer Freiheit beschränkt. Und wir regen uns auf und/oder harren aus, da es ja nur eine Frage der Zeit ist, bis alles wieder „normal“ ist.

    Zwischen der Freiheit-Beschränkung von Minderheiten, Flüchtlingen etc. und „unserer“ Freiheits-Beschränkung gibt es einen großen Unterschied:

    Auf der einen Seite sind wir, die Corona-Virus-Gefährdeten, die sich um ihr Klopapier sorgen – welch Sinnbild dafür, wie sehr wir uns um unseren eigenen Arsch kümmern! Auf der anderen Seite diejenigen, die sich um existenzielle Lebensgrundlagen Tag um Tag sorgen – ohne zu wissen, wann, wie oder ob überhaupt eine Änderung kommen wird. Ohne Milliarden-Euro/Dollar-Hilfsprogramme, ohne Notfallpläne etc.

    Ich hoffe, die Menschheit, die Gemeinschaft, lernt aus dieser besonderen Situation.

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    1. Du hast recht, unsere Freheitsbeschränkung und unsere Ungewissheit ist nichts im Vergleich zu der anderer Menschen.
      Ich glaube aber, dass die Angst und die Sorge bei allen die gleiche ist. Egal ob Coronavirus, Flucht, Armut, Unterdrückung, Krieg… es ist die gleiche Angst, die auf unsere Brust drückt.
      Wir können die jetzige Situation deshalb nutzen und endlich anfangen, einander besser zu verstehen.

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  4. Nachtrag zu meinem vorherigen Kommentar:

    Die Corona-Pandemie ist sehr ernst zu nehmen. Die Zustände in vielen betroffenen Gebieten sind sehr schlimm und das Leiden groß. Jeder Einzelne trägt Verantwortung in dieser schweren Zeit.

    Diese Krise zeigt uns, wie dankbar wir sein können für all die Freiheit und Versorgung, die wir auf verschiedenen Ebenen haben – und die wir bald wieder genießen dürfen.

    Die Krise zeigt uns aber auch, welche Mittel und Maßnahmen mobilisiert werden können, um auf besondere gesellschaftliche Zustände zu reagieren und Menschen zu helfen. Und hier sehe ich den großen Graben, der mich traurig macht: Manche Menschen / Gruppen sind anscheinend weniger wert.

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